29. November 2017
- Achelrod wird in der Kategorie Versorgungsforschung für seine Arbeit „gesundheitsökonomische Evaluation von Telemonitoring für COPD in Deutschland“ ausgezeichnet
- von Gudenberg erhält den Preis für „Speechagain“ in der Kategorie praktische Anwendung
- beide Preise sind mit je 20.000 Euro dotiert
Der Eugen Münch-Preis für innovative Gesundheitsversorgung 2017 geht an Dmitrij Achelrod (Kategorie Versorgungsforschung) und Alexander Wolff von Gudenberg (Kategorie praktische Anwendung). Achelrod belegt in seiner Arbeit, dass durch Telemonitoring die Versorgung von COPD-Patienten verbessert und gleichzeitig Kosten gespart werden können. Von Gudenberg wird für Speechagain ausgezeichnet, eine evidenzbasierte, digitale Online-Therapie nach den S3-Leitlinien für Stotternde. Beide Kategorien sind mit jeweils 20.000 Euro dotiert. „Die prämierten Arbeiten belegen eindrucksvoll, dass Patientenorientierung und Ökonomie keine Widersprüche sind und es durch den innovativen Einsatz von Technik möglich ist, beides zu verbessern und damit das Gesundheitssystem positiv zu verändern“, betont Stephan Holzinger, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Münch.
Die Gewinner wurden unter 100 Einsendungen von der Jury ausgewählt, der Mani Rafii (Barmer), Stefan Felder (Universität Basel), Jochen Gensichen (Klinikum der LMU München), Sebastian Balzter (FAZ), Tobias Johann (Rheingau Founders), Achim Jockwig (Klinikum Nürnberg), Uwe Schwenk (Bertelsmann Stiftung) und Peter Langkafel (Health Factory) angehören.
Versorgungsforschung:
Dmitrij Achelrod für „Gesundheitsökonomische Evaluation von Telemonitoring für COPD in Deutschland“
Im Rahmen seiner Promotion am Hamburg Center for Health Economics hat Achelrod evaluiert, wie sich Telemonitoring bei COPD-Patienten in Bezug auf Leistungsinanspruchnahme, Mortalität und die medizinischen Kosten auswirkt. Als Basis dienten die Daten von 651 Teilnehmern des deutschlandweit größten Telemonitoring-Projekts, das die AOK Bayern zusammen mit SHL Telemedizin durchführt. Verglichen wurden die Daten der Projektteilnehmer mit 7.047 Patienten aus der Regelversorgung, erfasst wurde ein Zeitraum von zwölf Monaten.
Die Ergebnisse zeigen, dass durch das Telemonitoring das Mortalitätsrisiko der Patienten um 49 Prozent gesenkt wurde. Die Inanspruchnahme von Leistungen sank ebenfalls, Krankenhausaufenthalte und das Aufsuchen einer Notaufnahme waren seltener erforderlich. Die positiven Effekte waren bei Patienten mit sehr schwerer COPD am stärksten ausgeprägt. Dabei reduzierten sich die Leistungsausgaben pro Patient um insgesamt 895 Euro. „Dies ist die erste deutsche Studie, die einen klaren klinischen und
ökonomischen Mehrwert eines großangelegten Telemonitoring-Projekts für COPD demonstrieren konnte“, fasst Achelrod zusammen.
Die Arbeit überzeugte die Jury: „Sie zeichnet sich durch außerordentliche methodische Qualität aus, die Verwendung von Routinedaten ist vorbildlich für die Versorgungsforschung“, so Jurymitglied Professor Stefan Felder. Zudem ist sie von hoher Relevanz, da derzeit in Deutschland sechs Millionen Menschen von COPD betroffen sind. Damit schlage die Arbeit auch eine Brücke zwischen patientenorientierter Medizin und Gesundheitsökonomie.
Achelrod (Jahrgang 1990) absolvierte nach seinem Studium der Betriebswirtschaft in Deutschland und Frankreich seinen Master in Gesundheitsökonomie an der London School of Economics (LSE). Seine Promotion am Hamburg Center for Health Economics (Universität Hamburg) und am Health Economics Research Centre (HERC, Oxford University) schloss er zum Thema „Measuring the Value of Healthcare Innovation” in 2016 mit “summa cum laude” ab. Achelrod sammelte Berufserfahrung in Start-ups sowie in Konzernen in den Bereichen der digitalen Medizin, Medtech und Consulting. Er ist Autor mehrerer wissenschaftlicher Publikationen und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem Stipendien der Studienstiftung des deutschen Volkes sowie den Brian Abel Smith Prize der LSE. Seit 2016 ist er für das Start-up QuantCo als Data-Scientist für quantitative Modellierung im Gesundheitssektor tätig. Achelrod ist zudem ehrenamtliches Mitglied des Komitees bei Young Forum Gastein (European Health Forum Gastein).
Praktische Anwendung:
Alexander Wolff von Gudenberg für Speechagain
Der Mediziner Alexander Wolff von Gudenberg wurde im Namen des Teams von Speechagain mit dem Eugen Münch-Preis in der Kategorie praktische Anwendung ausgezeichnet. Speechagain bietet nach Fertigstellung eine vollständige, digitale Therapie für Stotternde – evidenzbasiert und nach S3-Leitlinien. Die Patienten können sich dann unabhängig von Ort, Zeit und Therapeuten online anmelden und die Übungen durchführen. Diese basieren auf der „Kasseler Stottertherapie“, bei der der so genannte „weiche Stimmeinsatz“ als Handwerkszeug erlernt wird, um die Sprachblockade zu überwinden. Bei den Übungen kommt automatische Spracherkennung, die mit maschinellem Lernen und Biofeedback kombiniert ist, zum Einsatz. So erkennt der Anwender, ob er die Übungen korrekt durchführt. Das Programm entwickelt basierend auf dem Therapiefortschritt individuell angepasste, weitere Schritte. Die ersten Erfolge zeigen sich bereits nach wenigen Tagen; spätestens nach einem Jahr ist ein anhaltender, flüssiger Sprachgebrauch möglich.
Die digitale Stottertherapie von Speechagain hat großes Potenzial, denn sie ist in allen Sprachen und Kulturräumen einsetzbar. Bisher steht sie in Deutsch und Englisch zur Verfügung. Es wurde ein Patent angemeldet. In Deutschland ist sie derzeit im Rahmen der Kasseler Stottertherapie zugänglich. Die Markteinführung in den USA läuft gerade. Speechagain ist seit dem 1. Oktober 2017 über den German Accelerator in New York vertreten. Speechagain ist ein Produkt der Digithep GmbH, an der die Health Factory GmbH und die Kasseler Stottertherapie beteiligt sind.
Dr. Alexander Wolff von Gudenberg ist Facharzt für Allgemeinmedizin mit der Zusatzbezeichnung Sprach- und Stimmstörungen. 1999 gründete er das Institut der Kasseler Stottertherapie, wo in Präsenz- und Online-Intensivkursen mittlerweile mehr als 3.000 stotternde Menschen erfolgreich behandelt wurden. 2015 gründete er zusammen mit zwei Partnern die Digithep GmbH zur Entwicklung der weltweit ersten digitalen Stottertherapie Speechagain.
Über den Preis
Der Eugen Münch-Preis wird seit 2015 jährlich in zwei Kategorien (Versorgungsforschung, praktische Anwendung) verliehen, die jeweils mit einem Preisgeld von 20.000 Euro dotiert sind. Ausgezeichnet werden innovative Arbeiten, die zu einer effizienteren und patientenorientierteren Gesundheitsversorgung beitragen können. Die Ausschreibung für den Preis des Jahres 2018 folgt in Kürze.
Bisher wurden unter anderem Professorin Leonie Sundmacher, Neeltje van den Berg sowie die Gründer von msense, memorebox und medgate ausgezeichnet.