06. Oktober 2016
Digitalisierung im Gesundheitsbereich ist zum Hype geworden. Kaum noch ein Kongress kommt mehr ohne Vorträge zu Telemedizin oder Gesundheitsapps aus. Laufend werden neue digitale Projekte vorgestellt, Start-ups sprießen aus dem Boden, Studien erstellt. Und als erstes Land in Europa gibt es in Deutschland bereits zwei Apps, die Krankenkassen auf Rezept verschreiben. Doch die Diskussion ist überwiegend getrieben von Ängsten, die sich vorrangig aus Fernbehandlungsverbot und Datenschutz speisen und die als „Schutzzäune um die angestammten Zonen der Gesundheitsdienstleistungen“ stehen. So werden zum einen die Chancen, die sich aus Sicht der betroffenen Patienten ergeben würden, nicht ergriffen. Und zum anderen verliert Deutschland weiter Anschluss an fortschrittlichere Länder.
- Sebastian von Bomhard, Vorstand Space Net
- Prof. Dr. Ulrich Gassner, Leiter Forschungsstelle für eHealth, Universität Augsburg
- Dr. Christian Krey, Geschäftsführer emperra GmbH
- Prof. Dr. Jörg Martin, Geschäftsführer regionale Klinikholding Ludwigsburg
- Prof. Dr. Christian Schmidt, Vorstandsvorsitzender Uniklinik Rostock
- Dr. Steffen Schmidt, Projektleiter Healthcare IT, Medical Valley
- Timo Thranberend, Senior Projekt Manager Bertelsmann-Stiftung
Von der Stiftung Münch nahmen Stephan Holzinger (Vorstandsvorsitzender), Professor Boris Augurzky und Dr. Johannes Gruber (Geschäftsführung) sowie Annette Kennel an der Diskussion teil.
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es viele telemedizinische Projekte, getrieben durch die Besonderheit der dortigen Demographie. Die sehr geringe Bevölkerungsdichte in diesem Flächenland erzeugt die Notwendigkeit, neue Formen der Versorgung bereitzustellen, damit die Bevölkerung medizinisch versorgt werden kann – aber auch, weil die Mitarbeiter der KV und der Krankenkassen die regionalbedingte Notwendigkeit dieser Projekte erkennen und deren rasche Umsetzung daher fördern statt ausbremsen. In anderen Bundesländern dagegen breitet sich Frust aus: zähe, lange Verhandlungen mit den kostenerstattenden Kassen, „Auflagen ohne Ende“ verzögern oder verhindern gar, dass neue digitale Versorgungsformen eingeführt werden. Selbst wenn es gelänge, eine Krankenkasse von der Notwendigkeit einer Maßnahme zu überzeugen, sei dies noch lange kein Garant dafür, dass andere Kassen nachzögen. Diese regionale Zersplitterung der Zuständigkeiten sahen viele der Teilnehmer kritisch. Moniert wurde auch, dass die Versorgungsrealität zum Teil komplett an der Regulierung vorbeigehe. Es gelte, eine einheitliche Dachstrategie aufzustellen, die dann für alle Akteure auch auf Landesebene bindend sei. In dieser müssten Ergebnisse und Funktion festgehalten werden – was wollen wir mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen erreichen? Einzelne Produkte, wie etwa der elektronische Entlassbrief, wären dann Details, die darunterfallen. „Technik ist gut, wenn man sie da einsetzt, wo man sie braucht. Einfach nur Technik für sich genommen macht keinen Sinn.“