Preisträger 2021
Der Eugen Münch-Preis für innovative Gesundheitsversorgung geht in diesem Jahr an Dr. Christian Aljoscha Lukas PD Dr. Georgios Kaissis.
Christian Aljoscha Lukas erhält den Preis der Kategorie praktische Anwendung für die Entwicklung der App „mentalis“, die eine lückenlose Nachsorge von Patienten mit psychischen Erkrankungen nach einem Klinikaufenthalt ermöglicht.
In der Kategorie Wissenschaft wird Georgios Kaissis ausgezeichnet, der mit „PriMIA“ ein neuartiges System zum Privatsphäre wahrenden Training von KI-Algorithmen an medizinischen Bilddaten entwickelt und evaluiert hat.
Beide Gewinner erhalten ein Preisgeld von 20.000 Euro und einen Film, mit dem die Arbeit erläutert wird.
Auch in diesem Jahr hat sich die Jury entschieden, einen Sonderpreis zu verleihen: Er geht an Abdul Rahman Itani, der neben seiner Berufstätigkeit als Pflegefachkraft aus eigener Motivation ein Konzept zur Verbesserung der palliativmedizinischen Versorgung entwickelt hat.
Die Gewinner wurden unter rund 100 Einsendungen von der Jury ausgewählt, der Daniel Bahr (Mitglied des Vorstands der Allianz Private Krankenversicherungs-AG), Fraua Ferlemann (Redakteurin BR, Wissen und Bildung aktuell), Prof. Dr. Marion Haubitz (Direktorin der Medizinischen Klinik III am Klinikum Fulda), Prof. Dr. Helmut Schönenberger (Geschäftsführer UnternehmerTUM), Dr. Ilona Köster-Steinebach (Geschäftsführerin Aktionsbündnis Patientensicherheit), Prof. Dr. Leonie Sundmacher (Inhaberin des Lehrstuhls für Gesundheitsökonomie an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften an der Technischen Universität München) und Staatssekretär Andreas Westerfellhaus (Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung) angehören.
Kategorie Wissenschaft und angewandte Forschung
PD Dr. Georgios Kaissis und Alexander Ziller für „End-to-end privacy preserving deep learning on multi-institutional medical imaging“
Um KI-Algorithmen zu trainieren, sind große Datensätze nötig. Doch der Zugang zu den Daten ist erschwert, da diese oft schützenswerte und personenbezogene Personendaten enthalten und damit nicht zugänglich sind. Georgios Kaissis hat mit seinen Kollegen eine die Privatsphäre wahrende und sichere KI entwickelt, die das Training ermöglicht, ohne dass direkter Datenzugang erforderlich ist.
Bei dem System „PriMIA“ (privacy-preserving medical imaging analysis) werden KI-Algorithmen dezentral trainiert. Die Daten verlassen nicht den Eigentümer, sondern die Algorithmen werden zu den Daten geschickt und lokal trainiert („federated learning“). Der Schutz der Daten erfolgt mit einer Kombination aus einer informationstheoretischen, quantifizierbaren Geheimhaltungsgarantie sowie einem kryptographischen Verfahren. Mit dem System trainierte Algorithmen können schließlich End-zu-End verschlüsselt genutzt werden, um an ebenso verschlüsselten Daten Diagnosen zu stellen.
Das Verfahren wurde an Röntgenbildern pädiatrischer Patienten trainiert und an zwei externen Datensätzen gegen Fachärzte für Radiologie und Kinderradiologen getestet. Selbst unter den striktesten Privatsphären- und Sicherheitsgarantien war die vom Algorithmus erbrachte Genauigkeit auf einer Ebene mit menschlichen Experten.
„Unsere Techniken ermöglichen einen Quantensprung in der Verfügbarkeit medizinischer Daten zum Training von KI-Algorithmen und eröffnen neue Möglichkeiten für die Telemedizin und die Erbringung KI-gestützter diagnostischer Dienstleistungen unter strengen Sicherheitsgarantien. Somit wird nicht nur eine Effizienzsteigerung in der Diagnostik erreicht; Privatsphären wahrende Systeme sind ebenso nahtlos in medizinische Datenverarbeitungssysteme und die elektronische Patientenakte integrierbar. Nicht zuletzt weisen die von uns vorgestellten Techniken den Weg für neue Märkte für die Nutzung privater Daten zum Erkenntnisgewinn in Wissenschaft und Industrie“, betont Kaissis.
Das System stellt das Team um Kaissis kostenlos und open-source zur Verwendung.
Die Publikation der Arbeit lesen Sie HIER
PD Dr. Georgios Kaissis ist Radiologe und Informatiker. Aktuell ist er als Senior Research Scientist am Institut für KI in der Medizin an der TU München und als Oberarzt am Institut für Radiologie des Klinikums rechts der Isar tätig. Darüber hinaus ist er als Postdoctoral Research Assiciate am Imperial College in London und bei OpenMined als Leiter der Forschungseinheit beschäftigt.
Kategorie praktische Anwendung
Dr. Christian Aljoscha Lukas für „mentalis – digitale Nachsorge“
Christian Aljoscha Lukas hat seine Forschungsergebnisse an der FAU Erlangen-Nürnberg verwendet, um digitale Programme für die Nachsorge von psychisch kranken Menschen nach einem Klinikaufenthalt zu entwickeln. Die Patienten werden kurz vor Entlassung aus der Klinik an eine nahtlose, digitale Nachsorge angebunden. Durch einen Algorithmus und individuelle Tele-Coachings werden die in der Klinik erarbeiteten Therapieerfolge stabilisiert und die Patienten in vulnerablen Situationen unterstützt. Patienten mit Weiterbehandlungsbedarf werden identifiziert und bei der Inanspruchnahme von Therapien in der Regelversorgung unterstützt.
mentalis schließt somit eine Versorgungslücke und trägt dazu bei, die hohen Rehospitalisierungsraten zu reduzieren und chronische Krankheitsverläufe zu verhindern. Die digitale Nachsorge ist für mehrere Krankheitsbilder anwendbar, darunter Depression und Suchterkrankungen. „Mit unserer digitalen Nachsorge wollen wir die Patienten aus der stationären oder teilstationären Behandlung systematisch an ambulante Weiterbehandlungsangebote anbinden. Hat der Patient einen Therapeuten gefunden, ist unsere Aufgabe erfüllt“, erläutert Lukas.
Dr. Christian Aljoscha Lukas studierte Wirtschaftspsychologie in Köln und erlangte seinen Master of Science in Psychologie an der Montana State University, USA. Neben seiner Tätigkeit als Psychologe am Klinikum Nürnberg promovierte er an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, wo er sich als Postdoc weiterhin dem Thema E-Mental-Health widmet. Er ist Start-up Mentor bei Scaler 8 (Singapur) und gehört dem Beirat der Nexus-Klinik in Baden-Baden an.
Sonderpreis
Abdul Rahman Itani für „Problematiken der stationären Versorgung im Terminalstadium und die Notwendigkeit eines interdisziplinären und multiprofessionellen, palliativmedizinischen Konsiliardienstes“
Mit einem Sonderpreis hat die Jury Abdul Rahman Itani ausgezeichnet. Der 25-jährige Pflegefachmann hat nach seiner Ausbildung in mehreren Kliniken sterbende Menschen begleitet. Um ihre Versorgung zu verbessern, entwickelte er in seiner Freizeit und parallel zum Besuch eines Abendgymnasiums ein Konzept für einen interdisziplinären und multiprofessionellen palliativmedizinischen Konsiliardienst. Die Arbeit befasst sich nicht nur mit einem Thema von hoher Bedeutung. Sie zeigt auch, über welche hohen fachlichen Kompetenzen Pflegefachpersonen verfügen und für eine Verbesserung der Patientenversorgung anwenden können.